Chronisches Erschöpfungssyndrom CFS

 

In ihrem Blog zu CFS schrieb Kathi: "Die Erschöpfung bei ME/CFS ist nicht ansatzweise mit der Erschöpfung zu vergleichen, die gesunde Menschen zum Beispiel nach einem langen Arbeitstag haben. Es fühlt sich eher an wie eine Mischung aus schwerer Grippe, dem Jetlag nach einem Langstreckenflug und einem fetten Kater nach einer durchzechten Nacht on top.
Man liegt da, fühlt sich unvorstellbar krank und kann sich oft auch gar nicht mehr bewegen oder sprechen. Dazu kommt dann noch eine Palette an Symptomen wie etwa Muskelschmerzen, erhöhte Temperatur, Schwindel, Übelkeit, starke Kopfschmerzen bis hin zu Migräne, Schüttelfrost, Gedächtnisproblemen, Tinnitus, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit und ganz oft auch Schlafstörungen." 

Ausgebremst - Auf dem Abstellgleis - Vergessen

Man wird von 100 auf 70  auf 30 auf 20 Prozent der Kraft ausgebremst. Zunächst ohne erkennbare Ursachen. Plötzlich hat man einen ganzen Strauß von Symptomen, die man zuvor nicht hatte. Aber, man sieht es einem nicht an. "Wird schon wieder ". "Schlaf dich mal ordentlich aus." "Mach mal ne Pause und dann geht es wieder..." Das Umfeld wird zunehmend ungeduldig. Als besonders schlimm empfinden Erkrankte, dass sie offenbar kein Arzt ernst zu nehmen scheint. Stress oder chronische Depression oder psychosomatische Erkrankungen werden häufig als Stempel verwendet, um den Erkrankten zu vermitteln, dass mit ihnen psychisch etwas nicht stimmt. 

CFS/ME bedeutet für die Betroffenen meist das abrupte Ende oder eine lange Unterbrechung ihrer aktiven Zeit sowohl im Beruf als auch im Privatleben, oft auch leider eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer sozialen Kontakte überhaupt. Einige haben Glück und werden von der Familie aufgefangen, andere aber stehen allein und sind quasi hilflos. Ihre Situation ist dramatisch, da die sozialstaatlichen Versorgungsträger auch oft die Krankheit CFS/ME nicht anerkennen und sie somit enorme Schwierigkeiten haben, irgendeine Form der Unterstützung zu bekommen. In dem Missverständnis, es handele sich um eine psychosomatische Erkrankung, fordern die Versorgungsträger meist von den Betroffenen, die z.B. einen Antrag auf Erwerbsminderung stellen, in eine psychosomatische Rehabilitationsklinik zu gehen, was oft die Krankheit noch verschlimmert, da die dortigen Behandlungsansätze (Verhaltenstherapie und körperliche Reaktivierung) für CFS/ME-Patienten ungeeignet ist. Viele Betroffene - die meisten sind in den "besten" Lebensjahren zwischen 20 und 60 - sind verzweifelt, denn das Leben zieht an ihnen vorüber, und oft glaubt man ihnen nicht einmal, dass es ihre Krankheit gibt. 

Das Chronische Fatigue-Syndrom wird häufig nicht erkannt und hat eine fatale Auswirkung auf das Leben des Erkrankten. 

 

Fallbeispiel Herr Walter

In meine Praxis kam ein 52-jähriger Patient mit der Diagnose rezidivierende Depression, die sich seit 10 Jahren nicht geändert hatte. Mittlerweile drohte ihm von Arbeitgeber die Entlassung. Der Patient fühle sich seit 10 Jahren extrem erschöpft, sei morgens wie erschlagen, auch wenn er stundenmäßig lange genug geschlafen habe. Er schwitze leicht, habe Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Trockenheit der Schleimhäute, Übelkeit, Schmerzen, sei Lärm- und Lichtempfindlich und litt unter noch weiteren Symptomen, die alle nicht recht zusammenzupassen schienen.

Im Rahmen der Diagnostik stellte sich heraus, dass Herr Walter noch nie einen Antrag auf Schwerbehinderung gestellt hatte, noch nie eine Untersuchung seiner Schlafproblematik erfolgt war, und ebenfalls noch nie einen vor ca. 10 Jahren erwähnten Anfangsverdacht einer rheumatischen Erkrankung, die zu 70% der Fälle mit einem CFS einhergeht, diagnostisch nachgegangen worden sei. 

Eine Depression fühlt sich ganz anders an als ein CFS: Der depressive Mensch ist fühlbar traurig, lustlos, antriebslos, leer. Der Erkrankte nimmt alles wie durch eine Nebelwand wahr. Keine Freude, kein echtes Interesse an Dingen, die um ihn herum passieren. Depressive Menschen fühlen sich so an, als würden sie versuchen durch Lehm zu waten. Alles ist schwergängig. Herr Walter hingegen war zwar ratlos und erschöpft, aber hellwach im Kopf, offen für unser Gespräch, wütend auf seine behandelnden Ärzte, initiativ, lösungsorientiert. Alles im Rahmen der sehr geringen Kräfte, die ihm zur Verfügung standen. Jedoch in den Zeitfenstern, in denen er Energie hatte, war diese auch abrufbar.

Inzwischen wurde die Diagnose CFS von einem Rheumatologen als auch von einer Spezialklinik bestätigt. Die Diagnosenstellung führte bei Herr Walter zu einer riesigen Erleichterung. Er habe immer innerlich gewusst, dass er unter etwas anderem litt und dies eins ums andere mal bei seinen Arztbesuchen vorgebracht. Jedoch ohne Gehör zu finden. Jedoch zu wissen, worunter man letztlich leidet, dem Leiden einen Namen geben zu können, sich in der Folge auf die Suche im Internet und Buchladen machen zu können um mehr darüber zu erfahren, das hilft ungemein. Einfach handeln zu können statt diese Unklarheit ertragen zu müssen. Herr Walter empfand die Dauerdiagnose Depression wie eine Schuldzuweisung. Das Gefühl, sich nicht genug angestrengt zu haben, nicht genügend mitzuarbeiten und letztlich vor allen und vor sich selbst zu versagen. DAS kann durchaus zu einer depressiven Reaktion führen.

Herr Walter hat mittlerweile seinen Job verloren, er hat zu spät einen Schwerberhinderungsausweis erhalten, er schläft mit einer Schlafmaske, die ihm etwas hilft, er bekommt Medikamente gegen seine rheumatische Erkrankung und er leidet nicht (mehr) unter einer depressiven Episode. Da seine Frau mit in der Praxis war, versteht sie viel besser, wie sie beide mit seiner Erschöpfung umgehen können und sein soziales Umfeld wird mit Hilfe von guten Texten aus dem Internet aufgeklärt. Wie es mit seiner Arbeitsunfähigkeit weiter geht, bespricht er mit einem Fachmann. Eine Psychotherapie braucht Herr Walter nicht, sondern nur meine sporadische Begleitung. Viel wichtiger ist für ihn ein Austausch mit Betroffenen. *** Ende der Falldarstellung ***

So oder so ähnlich ist diese Geschichte relativ häufig zu hören. Menschen mit chronischen Erschöpfungssymptomen werden häufig schnell mit einer psychischen Diagnose versorgt und danach passiert nicht mehr viel von ärztlicher Seite. Das CFS wird in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Erst vor ein paar Jahren begannen eigene Forschungen in Deutschland. Und "dank" Corona und Post-COVID wird die Forschung weltweit stark ausgeweitet. 

 

Diagnostische Kriterien

Das Leitsymptom des ME/CFS ist eine Belastungsintoleranz (Post-exertionelle Malaise (PEM). Das bedeutet, dass nach körperlicher und/oder psychischer/geistiger Anstrengung eine deutliche Verschlechterung eintritt - häufig erst nach 24 Stunden. Auch bei Post-COVID kann es zu einer Belastungsintoleranz kommen.

 

Folgende Internetseiten sind sehr zu empfehlen: